Das Zweitveröffentlichungsrecht (Open Access)

Durch die zunehmende Digitalisierung und Ausbreitung des Internet bieten sich Wissenschaftlern neue Chancen, auch und insbesondere im Bereich der Publikationen. Ein bedeutendes Schlagwort ist dabei „Open Access“: Was sich dahinter verbringt und welche Möglichkeiten Wissenschaftler im Rahmen des OA haben, soll im Folgenden veranschaulicht werden.

Hinweis: Dieser Artikel gibt einen Überblick über die derzeitigen gesetzlichen Regelungen, die in Bezug auf die Sprachwissenschaft von Bedeutung sein können. Zur Beurteilung der Frage, ob diese im jeweiligen konkreten Fall einschlägig sind, konsultieren Sie bitte einen Anwalt.

Was ist Open Access?

Open Access ist eine Publikationsstrategie, die freien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und anderen Informationen, insbesondere universitären Studien- und Forschungsergebnisse, bietet.

Es gibt zwei Wege der Open Access-Veröffentlichung[1]:

  1. Der goldene Weg („Publishing“): Dieser beschreibt die Erstveröffentlichung von wissenschaftlichen Artikeln und anderen Beitragsarten (Monografien, Sammelbände usw.) im Wege des Open Access. Die Autoren bzw. deren Institution zahlen dafür eine Publikationsgebühr.
  2. Der grüne Weg („Self-Archiving“): Dieser beschreibt die elektronische Zweitveröffentlichung des wissenschaftlichen Artikels auf institutionellen oder disziplinären Open-Access-Dokumentenservern (= Open Access Repositorien) – zeitgleich zu oder nach der Publikation in einer Zeitschrift.

Wie kann ich Open Access nutzen?

Fall 1:

Sie möchten Ihre Publikation in einem Open-Access-Repositorium erstveröffentlichen, um die Inhalte einem möglichst breiten (Fach-)Publikum zur Verfügung zu stellen. Nutzen Sie dazu eine Open-Content-Lizenz (z.B. Creative Commons) in einem (institutionellen oder disziplinären) Repositorium oder einer Open-Access-Zeitschrift Ihrer Wahl, welche den Nutzungsumfang Ihres Werkes eindeutig regelt.

 

Fall 2:

Sie haben Ihren Text bereits in einer Zeitschrift veröffentlicht und möchten ihn nun im Wege des Open Access zweitveröffentlichen (z.B. im Rahmen einer Archivierung).

Ist das Werk vor dem 31.12.1994 publiziert worden, steht Ihnen als Autor das Recht an der elektronischen Verbreitung zu, „d.h. diese Werke dürfen online veröffentlicht bzw. archiviert werden, auch wenn vertragliche Vereinbarungen dem entgegenstehen. (Dies gilt nur unter dem Vorbehalt, dass nachträglich keine Vereinbarung über die digitale Veröffentlichung geschlossen wurde.)“[2]

Ist das Werk nach dem 31.12.1994 publiziert worden, steht das Recht an der Online-Nutzung in der Regel dem Verlag zu. Denn erst seit 1995 ist die Online Nutzung als allgemein bekannte Nutzungsart anerkannt.

Ist das Werk zwischen dem 1.Januar 1966 und dem 1. Januar 2008 veröffentlicht worden, muss zusätzlich die Übergangsregelung in § 137 l UrhG beachtet werden: Hat der Urheber in diesem Zeitraum einem anderen alle wesentlichen Nutzungsrechte ausschließlich sowie räumlich und zeitlich unbegrenzt eingeräumt, gelten die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannten Nutzungsrechte (also insbesondere die Online-Nutzung) als dem anderen ebenfalls eingeräumt, sofern der Urheber nicht der Nutzung widerspricht. Die Widerspruchsfrist beträgt ein Jahr bzw. 3 Monate nach Mitteilung der beabsichtigten Nutzung in Form der neuen Nutzungsart. Das Widerspruchsrecht erlischt, wenn der Urheber und der publizierende Verlag über eine zwischenzeitlich bekannt gewordene Nutzungsart eine ausdrückliche Vereinbarung geschlossen haben.

Kommen Sie nach den vorstehenden Überlegungen zu dem Ergebnis, dass ein Verlag das ausschließliche Nutzungsrecht an Ihrem Werk besitzt, ist zu prüfen, „ob Open-Access-Policies der Zeitschrift / des Verlags bereits über die SHERPA/RoMEO-Liste des Projekts "Securing a Hybrid Environment for Research Preservation and Access" verfügbar sind, denn mittlerweile erlauben zahlreiche Verlage das parallele oder nachträgliche Speichern von Dokumenten auf Volltextservern.

Wenn die entsprechende Zeitschrift/der entsprechende Verlag in der SHERPA/ROMEO-Liste nicht geführt wird, was für zahlreiche deutsche Zeitschriften/Verlage leider noch der Fall ist, ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Archivierung in [Open Access Repositorien] unbedenklich ist. Hier sind die jeweils vertraglich getroffenen Regelungen relevant.“[3]

Einige Autorenverträge gestatten inzwischen eine Parallel-Archivierung auf Open-Access-Dokumentenservern unter der Auflage, dass die Quelle der Erstveröffentlichung angegeben wird etc. Lesen Sie diesbezüglich Ihren Vertrag genau und holen Sie bei Unklarheiten den Rat eines Anwalts ein.

„Wenn Sie keinen expliziten Verlagsvertrag geschlossen haben [bzw. in ihrem Vertrag keine Regelung zur elektronischen Verbreitung des Werkes getroffen wurde], erwirbt der Verlag für die Vervielfältigung und Verbreitung ein ausschließliches Nutzungsrecht, das sich ein Jahr nach Erscheinen des Artikels aber in ein einfaches Nutzungsrecht wandelt, sodass Sie den Beitrag ein Jahr nach Erscheinen in [ein Open Access Repositorium] einstellen können (siehe auch genauere Informationen und Spezifikationen hierzu unter open-access.net).“ [4]

Die Rechtsgrundlage für diese Regelung bietet § 38 I UrhG: Gestattet der Urheber die Aufnahme des Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung, so erwirbt der Verleger oder Herausgeber im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung. Jedoch darf der Urheber das Werk nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen anderweit vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, wenn nichts anderes vereinbart ist.

 

Fall 3:

Sie haben Ihren Text bereits in einer nicht periodisch erscheinenden Sammlung (z.B. Monographie, Festschrift, etc.) veröffentlicht und möchten ihn nun im Wege des Open Access zweitveröffentlichen.

Ist vertraglich keine Vergütung vereinbart worden, gilt das zu Fall 2 Gesagte, d.h. nach einer Embargofrist von einem Jahr darf der Artikel in einem Open Access Repositorium zweitveröffentlicht werden. Rechtsgrundlage für diese Regelung ist § 38 II UrhG („Absatz 1 Satz 2 gilt auch für einen Beitrag zu einer nicht periodisch erscheinenden Sammlung, für dessen Überlassung dem Urheber kein Anspruch auf Vergütung zusteht.“).

Das Gleiche gilt, wenn der Urheber die Vergütung als Anerkennung seiner Leistung – und nicht als Gegenleistung für (!) seine Leistung – erhält. Denn in diesem Fall besteht kein rechtlicher Anspruch auf Vergütung. Die Abgrenzung zwischen „Honorar“ und Vergütung kann im Einzelfall allerdings sehr schwierig sein, weshalb eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht.

 

Sonderfall 4:

Im Oktober 2013 modifizierte der deutsche Gesetzgeber den bestehenden § 38 UrhG und fügte mit Wirkung zum 01.01.2014 Absatz IV hinzu[5], der eine Sonderregelung des Zweitveröffentlichungsrechts darstellt.

Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags hat auch dann das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung an der akzeptierten Manuskriptversion (NICHT in der letztendlich veröffentlichten Version), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind.

Hinweis: In den Geisteswissenschaften wird diese Sonderregelung nur selten Anwendung finden. Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, ob sie einschlägig ist.

Dazu müssen alle (!) folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Der Beitrag ist im Rahmen einer Forschungsaktivität entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen.

  • Umfasst sind alle Arten von wissenschaftlichen Publikationen in regelmäßig erscheinenden Zeitschriften und Journalen.
  • Das Gesetzt findet keine Anwendung auf Monographien, Kommentare, wissenschaftliche Schriftenreihen, Handbücher, Jahrbücher und Festschriften. (vgl. BT-Drs.17/13423 und BT-Drs. IV/270, 59 für weitere Informationen).

2. Der Beitrag ist mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln gefördert worden.

  • DAS GESETZ FINDET GRUNDSÄTZLICH KEINE ANWENDUNG AUF UNIVERSITÄTEN.
    Obwohl die Forschungs- und Lehrtätigkeit an Hochschulen in vollem Umfang aus Mitteln des Steuerzahlers finanziert ist, sind diese bewusst von der Sonderregelung des § 38 IV UrhG ausgenommen, sofern sie im Rahmen ihrer Dienstaufgaben und nicht im Rahmen öffentlich geförderter Projekte forschen.(vgl. dazu: BT-Drs. 17/13423, S. 22f.)
  • Es betrifft ausschließlich Forschungstätigkeiten, die „im Rahmen der öffentlichen Projektfinanzierung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung“ (BT 17/13423, S. 9) durchgeführt werden.
  • Die öffentliche Finanzierung kann durch Bund und Länder sowie Kommunen erfolgen. Auf private und von der EU geförderte Projekte findet das Gesetz keine Anwendung.
  • Beachte: Wird ein Projekt sowohl durch öffentliche Gelder als auch durch private Drittmittel gefördert, muss mehr als 50 % der Projektfinanzierung durch einen öffentlichen Geldgeber erfolgen, damit das Gesetz Anwendung finden kann.

4. Seit der Erstveröffentlichung sind 12 Monate vergangen (Embargofrist).

5. Die Veröffentlichung dient keinem gewerblichen Zweck.

6. Der Autor nennt die Quelle der Erstveröffentlichung.

Auch unter diesen Voraussetzungen darf der Urheber weder das Rohmanuskript noch die letztendlich veröffentlichten Version öffentlich zugänglich machen.

Er erwirbt nur das Recht, sein Werk in der akzeptierten Manuskriptversion via Open Access öffentlich zugänglich zu machen, auch wenn er bereits einen Vertrag geschlossen hat, durch den alle ausschließlichen Nutzungsrechte an einen Verleger übertragen werden.

Alle zum Nachteil des Urhebers abweichenden Vereinbarungen sind gem. § 38 IV 3 UrhG unwirksam.

 

Anmerkungen

  • Der deutsche Gesetzgeber orientiert sich an den europäischen Vorgaben zum Open Access um. Nachzulesen sind diese in der Empfehlung und der Mitteilung der EU Kommission (Link siehe unten)
  • Achtung: Bei den meisten Verlegern handelt es sich um international tätige Unternehmen – es ist zu prüfen, ob überhaupt deutsches Recht Anwendung findet: Wenn ein Urheber einen Vertrag mit einem ausländischen Verleger eingeht, begibt er sich in eine rechtliche Grauzone. Im schlimmsten Fall begeht er durch eine Zweitveröffentlichung via Open Access eine Urheberrechtsverletzung[6].

 

Links

 



[1] vgl. Peter Suber, Open Access, MIT Press 2012.

[2] Zitat – Social Science Open Access Repository (SSOAR): http://www.archive-info.com/info/s/ssoar.info/2014-03-16_3845820_4/Policy_SSOAR/

[3] Zitat – Social Science Open Access Repository (SSOAR): http://www.archive-info.com/info/s/ssoar.info/2014-03-16_3845820_4/Policy_SSOAR/

[4] Zitat – Social Science Open Access Repository (SSOAR): http://www.archive-info.com/info/s/ssoar.info/2014-03-16_3845820_4/Policy_SSOAR/

[6] Sprang, Christian: Zweitveröffentlichungsrecht – ein Plädoyer gegen § 38 IV UrhG-E. ZUM 2013, 461–466.

 

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